ISLAM

Begriffe

Bestimmte Begriffe entstehen zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort und können nicht ohne weiteres in andere Kulturräume transportiert werden. Dies betrifft nicht nur den Begriff „Mohammedaner“.
An einem anderen Beispiel soll gezeigt werden, dass bekannte Begriffe allein nicht zum Verständnis dieser führen, denn oft übernehmen Menschen die Hülle, aber nicht den Inhalt dessen, was sie beobachten:
„Laut muslimischer Überzeugung ist der „Islam“ eine „Offenbarungsreligion“, die auf „Gott“ (arab. Allah) zurückgeht und nicht auf den „Propheten Muhammad““.
Wie deutlich diese Aussage auch sein mag, so stecken in ihr mehrere Fragen, die es zu beantworten gilt. Diese Aussage beschreibt auch zugleich die Vorgehensweise, d.h. die Methode, nach der eine Einführung in den Islam geschehen sollte. Diese Einführung beginnt nicht mit Muhammad, sondern mit „Islam“, denn der Islam erkennt alle anderen Propheten der Menschheitsgeschichte, wie Abraham, Moses und Jesus auch an. Hier mit Muhammad zu beginnen, würde das, was wir Muslime mit Islam meinen, zu sehr einschränken.
Erst sollte geklärt werden, was „Islam“ ist. „Der Islam ist eine Offenbarungsreligion“, sagt wenig über seinen Inhalt aus. Was wiederum ist „Religion“ im islamischen Sinne? Erst nach Klärung dieser beiden zentralen Fragen kann man sich dem wichtigsten Teil überhaupt zuwenden, nämlich „Allah“. Denn ohne Gott wäre der Islam als Offenbarungsreligion nicht denkbar. Unmittelbar damit hängt der Tauhid-Gedanke zusammen. Tauhid, „die Einheit Gottes“, d.h. der Monotheismus ist das zentrale Thema im Islam. Gott ist die Ursache, Gott ist das Ziel! Denn fragt man einen monotheistischen Gläubigen, woher alles kommt, dann wird er/sie unweigerlich alles auf Gott zurückführen. Und fragt man andersherum, wohin alles geht, wird er/sie wieder zum gleichen Ergebnis gelangen.
Danach sollte „die Offenbarung „, d.h. der Koran erläutert werden, um dann erst auf den Propheten Muhammad und die anderen Propheten zu sprechen zu kommen, die im Laufe der Zeit Offenbarungen von Gott erhalten haben.
Alle anderen Themen wie „die islamische Theologie (Kalam)“, „die islamische Rechtswissenschaft (Fiqh)“, „die Mystik (Tasawwuf/ Irfan)“ usw. können als die Äste des Baumes „Islam“ betrachtet werden, wobei Unterthemen wie „die Frau im Islam“ usw. als deren „Früchte“ gesehen werden können, um es bildlich zu deuten.
Was aber haben die nicht-muslimischen Betrachter, die ihn (den Islam) nur von außen sehen, von ihm kennen gelernt? Viele haben sich bisher nur (oberflächlich) mit seinen „Früchten“ auseinandergesetzt und diese auch nur als schlecht (verdorben) empfunden. Nur wenige haben den Zugang zu seinen Wurzel gewagt und sie auch erreicht, wobei dafür bestimmte Hilfsmittel nötig sind. Dabei weiß doch jeder, der sich mit Wissenschaften auseinandersetzt, dass eine Einführung in die Grundlagen einer Wissenschaft, eine wichtige Voraussetzung für das spätere Studium dieser ist. Genau aus diesem Grunde müssen die Unterthemen erst einmal ausgegrenzt werden, um zuallererst über die Wurzel (Gott und die Offenbarung) und den Stammbaum (der Islam und die Gottesgesandten) zu sprechen. Die Hauptthemen der islamischen Geistesgeschichte müssen wegen ihres Umfanges und ihrer Komplexität ebenfalls ausgegrenzt werden.
Uns bleibt also nur ein bestimmter Teil von dem, was wir „Islam“ nennen, um einen kurzen Einblick zu ihm zu wagen. Dabei ist – wie bereits erwähnt – die Definition von Begriffen, die im Lichte einer bestimmten Zeit und Kultur entstanden sind, sehr wichtig. Täte man dies nicht, würden die islamischen Begriffe bei vielen zu falschen Assoziationen führen, denn Sprache und Denken hängen unmittelbar miteinander zusammen, und die Menschen werden nun einmal von dem geprägt, was in ihrem Kulturraum auf sie wirkt.

2.1. Der Begriff „Din“ für Religion
Das arabische Wort Din („Religion“) ist verwandt mit dem Wort dain („schulden“, gebildet aus der Wortwurzel dana). Din bezeichnet sinngemäß das, was der Mensch Gott, sich selbst und der Schöpfung insgesamt schuldet. Nach islamischer Ansicht ist damit eine ethisch verantwortete Lebensweise gemeint, die alle Lebensäußerungen umfasst und auf dem Hintergrund der Beziehungen des Menschen ordnet, nämlich zu seinem Schöpfer, sich selbst, seinen Mitmenschen, den Geschöpfen und zur Schöpfung insgesamt. Din ist somit ein System gegenseitiger Verpflichtungen, sowohl zwischen Mensch und Gott, näher bezeichnet als Bund Gottes mit den Menschen (mit bestimmten prophetischen Persönlichkeiten oder mit einzelnen Völkern), und auch zwischen den Menschen untereinander, wodurch „Medina“ (Gemeinschaft, Zivilisation, Staat) entsteht, als auch zwischen dem Menschen und anderen Geschöpfen, ausgedrückt in der Bezeichnung „Statthalter Gottes „.
Die Pflege dieser Beziehungen und die Wahrung der damit verbundenen Rechte und Pflichten ist die Verwirklichung des religiös-ethischen Lebensprinzips (iqamatu d-D¤n). Am „Tag des Gerichts“ (yaumu d-Din) werden die aus dem Gleichgewicht geratenen Beziehungen wiederhergestellt und die ethischen Werte und Ziele voll verwirklicht.

2.2. Der Begriff „Islam“
Islam (Gottergebenheit ) ist jene Haltung, die D¤n erfüllt in der Hingabe an Gott. Abgeleitet ist das Wort vom IV. Stamm der Wortwurzel s-l-m (qnÂ), was „heil, unversehrt, ganz, vollständig, sicher, frei sein“ bedeutet. Islam im Sinne einer Weltreligion ist nur eine, und nicht grundlegende Bedeutung des Wortes. Auch, das alle Dinge den Naturgesetzen Gottes gehorchen, kann als Islam bezeichnet werden, bis hin zu jeder Handlung, die Gott gefällt. Nach Aussage des Koran hat der Prophet Muhammad keine neuartige Religion gebracht, sondern vielmehr die Urreligion der Menschheit wiederbelebt. Adam wird dabei als erster in der Reihe der Propheten gesehen .

Wörter wie Salam („Unversehrtheit, Friede, Sicherheit“) und Muslim („der sich Gott Hingebende, Dienende“) sind mit dem Wort Islam verwandt, da sie aus der gleichen Wortwurzel gebildet werden.
An dieser Stelle sei – um eine bessere Differenzierung dessen, was durch die Medien häufig mit Islam in Verbindung gebracht wird, zu ermöglichen – eine genaue Definition von „Islam“ geliefert. So können – sowohl von Nichtmuslimen, als auch von Muslimen – komplexe Themen und Phänomene, den Bereichen, in die sie hingehören, einfacher zugeordnet werden. So wird auch besser deutlich, warum Muslime und Nichtmuslime häufig, obwohl sie über das gleiche reden, aneinander vorbeireden. Denn häufig findet die Diskussion auf unterschiedlichen Ebenen statt: Der eine redet über das, was im Koran steht, der andere hat als Maßstab für seine Beurteilung des Islam, den realen Zustand in den sogenannten islamischen Ländern vor Augen.