Hutba: Unrecht ist eine große Sünde! (22.05.2015)

Verehrte Muslime!

Schirk und die Missachtung der Befehle Allahs sind Unrecht. Genauso ist es Unrecht, Allahs Geschöpfe ungerecht zu behandeln oder sie gar zu unterdrücken. Allah findet niemals Gefallen an Gewalt und Unterdrückung. Er lässt die Tyrannen im Diesseits und im Jenseits ins Leere laufen und bestraft sie für alles Schlechte.

Verehrte Muslime!
Leider hat der Mensch, den Allah zu seinem Statthalter (Halîfa) auf Erden machte, sein Ziel aus den Augen verloren. Unrecht ist quasi zur Normalität geworden. Formen und Eigenschaften haben sich im Laufe der Jahrhunderte verändert, aber das Unrecht ist geblieben. Auch heute werden Millionen Menschen durch Besatzung und Krieg ihrer Rechte beraubt und unterdrückt.

Viele Länder, darunter auch muslimische, waren einst Zentren der Gerechtigkeit. Leider haben sich diese geradezu in Zentren des Unrechts und der Ungerechtigkeit verwandelt. Wenn wir Jerusalem, Damaskus und Kairo im Laufe der Geschichte betrachten, sehen wir, dass dort Gerechtigkeit herrschte und die Wissenschaft erblühte. Heute haben sich diese Orte in regelrechte Gefängnisse verwandelt, in denen Freiheit und Menschenrechte mit Füßen getreten werden.

Liebe Geschwister!
Viele Regionen, in denen überwiegend Muslime leben, sind weit davon entfernt, Orte zu sein, in denen Recht und Ordnung herrschen. Leider kann nicht behauptet werden, dass dort die Menschenwürde geschützt sei. Vielmehr sind die Menschen dort vielerlei Unrecht ausgesetzt. Das Traurigste daran aber ist, dass das Unrecht von Menschen aus ihrem Umfeld, ja sogar von ihren eigenen Glaubensgeschwistern, verübt werden.

Eben solche bitteren Entwicklungen beobachten wir in den letzten Jahren in Ägypten. So zum Beispiel als Muhammad Mursi, der erstmals in freien Wahlen mit 52 % der Stimmen von der Bevölkerung zum Staatspräsidenten gewählt wurde, jedoch wenig später durch einen Putsch seines Amtes enthoben wurde. Die frei gewählte Regierung wurde ohne einen gerechtfertigten Grund gestürzt, Tausende ihrer Anhänger inhaftiert und ein Teil von ihnen getötet.

Verehrte Muslime!
Dies war ein Putsch und gänzlich Unrecht. Aber ein Großteil der Welt hat es vermieden, den Putsch als solchen zu bezeichnen, obwohl sie sich selbst als die Verteidiger von Recht und Freiheit sehen. Sie blieben Zuschauer der begangenen Grausamkeiten. Auf diese Weise hat sich dieser Teil der Welt stillschweigend zum Unterstützer des Militärputsches gemacht. Das ist nicht akzeptabel. Heute ist man an dem Punkt angelangt, an dem ein falsches Gericht 108 Menschen einschließlich des aus seinem Amt gedrängten Präsidenten Mursi zum Tode verurteilt wurden. Selbstverständlich erwartet man, dass die Befürworter von Recht und Freiheit zu Muhammad Mursi und seinen Anhängern stehen. Daher freuen wir uns, dass viele Organisationen, die sich für Frieden, Freiheit und Menschenrechte einsetzen, sich in aller Klarheit gegen diese Urteile aussprechen.

Liebe Geschwister!
Wir glauben fest daran, dass diejenigen, die Mursi und seine Gefolgsleute zum Tode verurteilt haben, sich vor Allah werden verantworten müssen. Und auch diejenigen, von denen sie unterstützt werden, werden sich dem Gericht Allahs nicht entziehen können. Ebenso glauben wir fest daran, dass unser Herr gegenüber den Dingen, die hier vor sich gehen, nicht gleichgültig ist. Denn er sagt: „Meine bloß nicht, dass Allah das Verhalten der Ungerechten unbeachtet lässt. Siehe, er säumt mit ihnen nur bis zum Tage, an dem die Blicke starr werden.“[1]

Wir erkennen diese menschenunwürdigen Urteile nicht an. Sie sind höchst beunruhigend. Solche Gerichtsverfahren stehen im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Prinzipien. Wir erwarten, dass das Urteil nicht vollstreckt wird. Die Weltöffentlichkeit darf diesem Geschehen nicht gleichgültig gegenüber stehen und muss schnellstmöglich notwendige Maßnahmen einleiten. Wir beten zu unserem Herrn, er möge Mursi und seinen Anhängern viel Geduld geben.

[1] Sure Ibrahim, 14:42

Quelle: igmg.org